Laudatio

Verehrtes Publikum, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, liebes Filmplus-Team,

leider können wir heute den Ehrenpreis des Bundesverband Filmschnitt  nicht persönlich unserem  geschätzten Kollegen Raimund Barthelmes überreichen. Aus gesundheitlichen Gründen kann er seiner Hommage bei Filmplus nicht beiwohnen. Aber ich freue mich, dass Agape Dorstewitz für Ihn den Preis nachher entgegennimmt.

Ja eigentlich wollte ich ohne Raimund hier in der ersten Reihe die geplante Laudatio im Namen des BFS-Vorstandes nicht mehr halten… aber dann würden Sie, verehrtes Publikum, ganz wunderbare Dinge über Ihn vielleicht nie erfahren… und das wäre doch zu schade.


Meine Damen und Herren,

wie immer möchte ich mich an dieser Stelle zuerst bei euch Kyra, Nicki und Oli, sowie Eurem  gesamten Team im Namen des BFS bedanken. Ohne Euer Engagement, Euren Einsatz,  Euren Charme und nicht zuletzt Eure Flexibilität wäre dieses einzigartige Montagefestival nicht möglich.

Es ist mir eine ganz besondere Freude Raimund Barthelmes heute im Namen des BFS diese Laudatio zu halten, denn, verehrtes Publikum, dieser  große Schnittmeister, Editor, diese „männliche Cutterin“, wie er sich selbst gerne nannte, hat etwas was kein anderer seiner renommierten Kollegen hat. Und diesem Etwas habe ich in meiner Recherche nachgespürt.

Meine erste Erinnerung an Raimund, sind die wunderbaren, lustigen aber auch informativen Jour Fixes in der Harlachinger Einkehr in München. Er und Barbara Hennings als geschäftsführende Vorstände des Bundesverband Filmschnitt, verehrtes Publikum, das war das absolute Dream-Team. Von 1988-92 haben sie den BFS regelrecht gerockt. 

Barbara war die Frau der Worte, Raimund der Mann der Taten. Von ihm kam auch die Idee mit den Schnittverbänden in Österreich und der Schweiz  zu kooperieren. Zusammen haben sie das auf den Weg gebracht. Und diese länderübergreifende Zusammenarbeit trägt immer noch Früchte, wie man hier bei Filmplus sieht.

Ja und dann ist während Ihrer gemeinsamen Amtszeit die Mauer gefallen. Gleich nach der Öffnung sind Barbara und Raimund gemeinsam zur Defa gefahren, um zu verhindern, dass der Studiengang Schnitt abgewickelt wird. Sie haben mehrere Treffen organisiert und versucht den Kollegen dort den Rücken zu stärken.  

Leider haben sie dann nach vier erfolgreichen Jahren ihre gemeinsame Vorstandsarbeit niedergelegt – allerdings mit einem unvergesslichen Auftritt bei der Jahreshauptversammlung 1992 – Barbara im kleinen Schwarzen und Raimund im Smoking.

Verehrtes Publikum in den letzten zwei Tagen hatten wir schon die Gelegenheit etwas über die vielfältigen Arbeiten und die Montagekunst von Raimund Barthelmes zu erfahren.

Welch ein Glück und welche Bereicherung für die deutsche Filmlandschaft, dass er Anfang der 70er Jahre per Zufall in einen Schneideraum kam und sofort der Magie des „dunklen Raums“, wie er selbst sagt, verfallen ist. Von da an hat er einen Großteil seiner Lebenszeit vor einem Bildschirm in einer  Parallelrealität verbracht. Er ist zum Bayrischen Rundfunk gegangen und hat das Filmhandwerk von der Pike auf gelernt –

vom Putzen der Filme mit dem feuchten Samtlappen, über das manuelle Nummerieren tausender Meter 16mm Filme,  zum Negativschnitt und zu den ersten kurzen eigenständigen Schnitten für Abend- und Sportschau. In dieser Zeit, Ende der 70er, hat er auch die ersten Filme an der HFF, der Hochschule für Fernsehen und Film in München,  geschnitten. Daraus hat sich eine für den deutschen Film äußerst  fruchtbare Zusammenarbeit ergeben. Viele der Filme, die er mit Doris Dörrie im Laufe der 80er und 90er Jahre realisiert hat, sind Klassiker geworden. Nach dem grandiosen Erfolg von „Männer“ hatte er die Möglichkeit mit ihr in den USA zu arbeiten. Da er aber nicht fliegen wollte, hat Bernd Eichinger ihn kurzerhand auf einem Luxusdampfer nach New York verfrachtet.

Aber Doris Dörrie war nicht die einzige, die er im Rahmen seiner Arbeit an den Filmhochschulen kennengelernt hat. Auch die langjährige Zusammenarbeit mit dem Regisseur Rolf Silber begann damit, dass er dessen Abschlussfilm an der DFFB in Berlin geschnitten hat. Viele der von Raimund montierten Abschlussfilme hatten sehr großen Erfolg. Ich denke da beispielsweise an den Dokumentarfilm „Nachttanke“ von Samir Nasr, einem Regiestudenten der Filmakademie Baden Württemberg. 

Es ist aber nicht nur seine umfangreiche Filmographie, sein Lebenswerk als herausragender Editor, auf das ich hier  aufmerksam machen will. Nein, es ist vor allem seine Fähigkeit, mit Kollegen bzw. Assistenten und Studenten umzugehen, die so besonders ist, und die ich bei keinem  anderen Editor je so beobachtet habe. Raimund Barthelmes ist nicht nur ein Ausnahmeeditor, sondern auch ein Ausnahmepädagoge.

Den Anfang seiner Lehrtätigkeit markiert die Dozentur bei der DFFB in Berlin, die er 1980 übernommen hat. Ein Jahr später stieß seine Kollegin Christel Suckow dazu und zusammen haben sie die Regiestudenten im Schneideraum und am Set dramaturgisch beraten.

2001 hat er zusammen mit der Editorin Clara Fabri den Studiengang „Schnitt“ an der Filmakademie Baden-Württemberg entwickelt und damit einen Grundstein für die Anerkennung unseres Gewerkes gelegt. Beneidet von den Kommilitonen der anderen Studiengänge,  fühlen sich die Schnittstudenten bei den beiden total wohl. Die Projektbetreuung, der Einzelunterricht und nicht zuletzt das familiäre Verhältnis – ab und zu gibt es auch gemeinsame Veranstaltungen wie z.B. ein Grillfest – wird von den Studenten sehr gut angenommen. Clara und Raimund sind beinah wie Mutter und Vater für sie.

Liebes Publikum, jetzt komme ich endlich zu diesem „gewissen Etwas“ von dem ich am Anfang sprach.

Raimund Barthelmes, von seinen Freunden liebevoll Raimi genannt,  hat es geschafft, den Beruf des Schnittmeisters perfekt mit dem des Lehrmeisters zu kombinieren. Im Laufe der Jahre hat er eine Art des Co-Schnitts kreiert, die beispiellos ist. Er gibt seinen Assistenten die Chance, sich beim Schnitt voll mit einzubringen. D.h. nicht nur ein Vorschnitt mit Nachbesprechung, und das auch nur wenn es die Zeit erlaubt… nein, der Assistent ist voll in die Schnittarbeit involviert. Man mustert zusammen aus und man schneidet abwechselnd. Mal sitzt der Assistent hinten, mal Raimund und man bespricht alles gemeinsam. Diese Art der Teamarbeit kommt für die Assistenten einem Intensivkurs gleich und der Start in eine eigene Schnittkarriere danach fällt bedeutend leichter. Natürlich muss die Chemie passen und natürlich bleibt Raimund der „Chef“, aber das Phänomenale an dieser Art der Zusammenarbeit ist, dass Konkurrenzdenken hierbei überhaupt keine Rolle spielt.

Verehrtes Publikum, Sie müssen wissen, es gab und gibt nicht wenige „Cutter“,  Editoren, die früher den Vorhang zugezogen haben, damit der Assistent ihnen ja nicht über die Schulter schauen kann. Diese Zeiten sind zwar weitgehend vorbei, aber Raimunds Art der Teamarbeit,  das Teilen seines Fachwissens,  ist meiner Meinung nach einzigartig.

Hier ein Paar Bespiele: im Jahr 2000 bot er Florian Drechsler Assistenz und Co-Schnitt beim Film „Ein Sommertraum“ unter der Regie von Rolf Silber an. Letzterer war von dem Doppelpack so begeistert, dass er beim nächsten Projekt gleich wieder beide engagierte.

Bei „Was für ein schöner Tag“ ebenfalls Regie Rolf Silber, gab Raimund Cosima Schnell die Chance. Cosima hatte zu dem Zeitpunkt  schon eigene Schnitterfahrung  gesammelt,  aber die Kombination von Assistenz und Co-Schnitt war für sie neu und enorm lehrreich. Die beiden wurden mit diesem Film 2006 übrigens  für den Deutschen Fernsehpreis nominiert.

Auch einer, der bei der Erinnerung an die gemeinsame Arbeit mit Raimund ins Schwärmen kommt, ist der Editor Marco Baumhof. Er ist einer der Schnittstudenten des ersten Jahrganges der Filmakademie in Ludwigsburg 2001. Für ihn war die Kombination aus Assistenz und Co-Schnitt in seinem dritten Studienjahr der perfekte Karriereanstoß.

Verehrtes Publikum, Raimund Barthelmes, den übrigens seine Freunde und Co-Editoren als den größten „1. FC Nürnberg-Fan“ bezeichnen, hat nicht nur ein großes Filmwerk geschaffen, sondern unseren Berufsstand mit perfekt ausgebildeten und erfolgreichen Editoren bereichert.

Zum Schluss noch ein paar Worte in die Ferne gesprochen.

Lieber Raimund, ich bewundere Dich und zolle dir großen Respekt und ich hoffe, auch wenn Du nicht mehr selbst die Schere bzw. Maus in die Hand nimmst, dass du noch viele Jahre junge Menschen in die Magie der Montage einführst. Dann wird es uns hier nie an herausragenden Editoren mangeln.

Ich gratuliere Dir von Herzen zum BFS-Ehrenpreis  und bin stolz dir im Namen des Vorstands diese Urkunde überreichen zu dürfen.

Alles Gute für Dich, Gesundheit und Glück wünschen Dir

Deine Kollegen vom BFS


(Diese Laudatio auf Raimund Barthelmes hielt Gaby Kull-Neujahr während Filmplus am 25.11.2012)