Hommage

Komponist der Realitäten

Zum elften Mal würdigt Filmplus in diesem Jahr mit seiner Hommage das Lebenswerk eines für die deutsche Kinematographie bedeutenden Editoren. Mit Raimund Barthelmes ehren die Veranstalter 2012 einen Schnittmeister, der nicht allein zahlreiche Meilensteine im Kinospiel- und Dokumentarfilm der letzten Dekaden mitverantwortet hat, sondern der seit mehr als 30 Jahren von seinen Studenten für seine leidenschaftliche Vermittlung inhaltlicher und künstlerischer Attribute von Schnitt und Montage verehrt wird. Mit einer eindrucksvollen Mischung aus Intellekt und Intuition, aus Theorie und Bauch komponiert er seine von großer Musikalität geprägten Werke in strenger Form.

Raimund Barthelmes wurde 1947 in Jettingen bei Günzburg geboren und studierte in Erlangen und München zunächst Theaterwissenschaft. Der Zufall führte ihn während eines Studentenjobs in einen Schneideraum, dessen Atmosphäre ihn nicht mehr loslassen sollte. Als Filmputzer fing er an und entwickelte sich, ab 1971 als Freier und Festangestellter, beim Bayerischen Rundfunk schrittweise bis zum Editor. Durch Kontakte zur Hochschule für Fernsehen und Film in München ergab sich für ihn parallel dazu die Gelegenheit, nachts Arbeiten von Studenten zu schneiden und so auch Erfahrungen im fiktionalen Bereich zu sammeln. Auf diese Weise lernte er Doris Dörrie kennen, mit der er insgesamt acht Spiel- und Dokumentarfilme realisierte. Als bahnbrechend und zukunftsweisend für den deutschen Film stellte sich insbesondere Männer… heraus, der mit fünf Millionen Besuchern zum Hit des Jahres 1986 avancierte. Es war nach dem Ende des Neuen Deutschen Films eine der ersten Arbeiten einer neuen Filmemacher-Generation, die mit eigenen Mitteln und Themen wieder eine Nähe zum Publikum anstrebte. Männer… gilt bis heute als wichtigstes Vorbild für den wenig später einsetzenden Boom der Beziehungskomödien, der das Vertrauen zum deutschen Publikum kurzzeitig wiederzugewinnen vermochte. Die Zusammenarbeit mit Doris Dörrie führte ihn 1987 auch in die USA, wo sie für Bernd Eichinger und Columbia Ich und Er realisierten. Weitere Spielfilme schnitt er für Regisseure wie Reinhard Münster, Rolf Silber, Pia Frankenberg, Ralf Huettner oder Michael Gutmann.

Der Dokumentarfilm aber bleibt für Raimund Barthelmes bis heute eine große künstlerische Leidenschaft. Politisch und sozial engagierte Arbeiten mit den Filmemachern Micky Kwella, Peter Heller und Thomas Schadt sind ihm dabei ebenso wichtig wie preisgekrönte Studien von Samir Nasr (u.a. Nachttanke), persönliche Porträts von Malte Ludin (2 oder 3 Dinge, die ich von ihm weiß) sowie Milieustudien von Dominik Wessely (Die Blume der Hausfrau). Auch wenn Raimund Barthelmes seit einigen Jahren nicht mehr selbst Hand anlegt, wird seine dramaturgische Beratung bei Filmemachern bis heute hoch geschätzt.

Bereits 1980 hatte Raimund Barthelmes begonnen, mit Studenten zu arbeiten. Neben seinen Dozententätigkeiten bei der dffb in Berlin und der HFF in München beteiligte er sich insbesondere kreativ und mitverantwortlich am Aufbau des Montage/Schnitt-Studiengangs an der Filmakademie Baden-Württemberg, an der er bis heute lehrt. Seit 2002 agiert Raimund Barthelmes zudem regelmäßig in verschiedenen Jurys bei Filmplus und hat das Montageforum mit seinen bereichernden Beiträgen wesentlich mitgeprägt.

Die maßgeblich vom Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes NRW unterstützte und seit Bestehen mit einer Ehrung durch den Bundesverband Filmschnitt – Editor e.V. (BFS) verbundene Hommage-Reihe wird ergänzt durch den mit 3.000 Euro dotierten Geißendörfer Ehrenpreis Schnitt.

Eine ausführliche Filmographie des Editors findet sich hier und Details zu den Veranstaltungen der Hommage hier.

Bildmaterial zur Hommage findet sich auf der Presseseite zum Download.